Mit Joy Ride bringt Regisseurin Adele Lim nach Crazy Rich Asians die nächste Komödie mit einem rein asiatischen Cast in die Kinos. Und der Film macht seinem Namen alle Ehre, ist er doch eine echte Vergnügungsfahrt, bei der man den Einfluss des letzten Films der Regisseurin deutlich merkt. Meine spoilerfreie Kritik gibt’s jetzt!
Lesezeit: ca. 5 Minuten
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Filmkritik zu Joy Ride von Adele Lim
Audrey ist eine ehrgeizige junge Anwältin, die auf eine wichtige Geschäftsreise nach China geschickt wird. Da sie jedoch von Amerikanern adoptiert wurde, spricht sie kein Wort Chinesisch. Weshalb sie sich ihre beste Freundin Lolo als Unterstützung mitnimmt und ganz nebenbei schließen sich auch noch Lolos Cousine Deadeye und Aubreys alte College-Freundin Kat der Reisegruppe an. Schon bald verwandelt sich die geplante Geschäftsreise zu einem verrückten Roadtrip auf den Spuren ihrer Vorfahren.
Diese inhaltliche Zusammenfassung klingt wie jedes x-beliebige Roadmovie, das mir so auf die Schnelle einfällt. Und ja, in gewisser Weise ist es das auch, kann man in Joy Ride doch im Prinzip eine Liste aller möglichen Filmklischees rund um Roadtrips abarbeiten. Und trotzdem hat sich der Film für mich innerhalb seiner sehr kurzen Laufzeit von gerade einmal etwas über 90 Minuten zu einer der besten Komödien des Jahres gemausert.
Obwohl Joy Ride nicht ohne seine kleinen Fehler und Kritikpunkte auskommt, gehört er zusammen mit No Hard Feelings und dem bevorstehenden Bottoms zu meinen Lieblingsfilmen des Jahres (zumindest aus dem Genre). Warum das so ist und wieso ihr unbedingt ins Kino müsst, lest ihr jetzt in meiner spoilerfreien Filmkritik!
Nach Crazy Rich Asians der nächste Komödien-Hit!
Regisseurin Adele Lim hat sich vor Joy Ride vor allem durch das Drehbuch zur mehrfach ausgezeichneten Asia-Komödie Crazy Rich Asians einen Namen gemacht. Da geht es um Machtgefälle, Rollenverteilung und Klassenunterschiede in Singapur und wie eine amerikanische Professorin zusammen mit ihrem Verlobten auf dem Familienbesuch einen regelrechten Kulturschock erlebt.
Viele Elemente, die Crazy Rich Asians schon so toll gemacht haben, findet man auch in Joy Ride wieder, der ebenfalls eine fast ausschließliche asiatische Besetzung mit Stars wie Ashley Park (Emily in Paris, Beef) und Stephanie Hsu (Everything Everywhere All At Once) aufweist.
Und diese Komödie ist eindeutig nichts für Kinder, denn hier geht es wirklich zur Sache. Nachdem man in Hollywoods Mainstream-Produktionen in den letzten Jahren ja durchaus eine gewisse Prüderie verspüren konnte, zeigen vor allem Genrevertreter wie No Hard Feelings und Joy Ride, dass sich mit etwas derberen Sprüchen und nackter Haut auch noch viele Besucher ins Kino locken lassen.
Dabei ist der Zielgruppen-Mix, den der Film anspricht bzw. ansprechen will, ja durchaus interessant: Einerseits haben wir es mit einem klassischen Roadmovie zu tun und der daraus schnell zu durchschauenden Dramaturgie. Andererseits sind viele Witze und Anspielungen eindeutig auf eine junge Generation, die sich mit den neuesten Tiktok-Trends auskennt, zugeschnitten. Das soll aber keinesfalls all jene abschrecken, die älter als 25 sind, denn Joy Ride nimmt die ganze Social-Media-Welt durchaus satirisch und stellenweise auch kritisch auf die Schippe.
Die allermeisten Witze funktionieren jedenfalls, auch wenn ich unbedingt die englische Fassung empfehlen kann, weil in der deutschen Synchronisation durchaus einiges verloren geht. Der Film nimmt sich fast nie ernst, und wenn er es tut, dann an den richtigen Stellen. Durch seine Laufzeit von gerade einmal knapp 90 Minuten ist der Film wunderbar kurzweilig und erfüllt eigentlich alle Voraussetzungen, um als richtig spaßige Komödie durchzugehen.
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Die Schauspielerinnen und ihre tolle Dynamik
Aber Joy Ride macht nicht nur deswegen so viel Spaß, weil die allermeisten Witze zünden. Nein, ein Hauptgrund für die Qualität des Films sind auch die tollen Schauspielerinnen, die sich hier versammelt haben. Einige davon kennt man als Kinogänger schon ganz gut. Beispielsweise Stephanie Hsu, die letztes Jahr nicht nur in einem der besten Filme 2022, nämlich Everything Everywhere All At Once mitgespielt hat.
Sondern die für ihre Performance sogar eine Oscar-Nominierung ergattern konnte. Auch die Hauptdarstellerin Ashley Park, die im Film Audrey spielt, macht ihren Job richtig toll. Aber neben den ganz großen Stars hat Joy Ride auch noch einige Newcomer zu bieten, die trotzdem fantastisch aufspielen!
Sabrina Wu war mir beispielsweise bisher kein Begriff, kann aber in Joy Ride durch ihre Charakterinterpretation von Deadeye mehr als nur überzeugen. Insgesamt ist der Cast des Films wirklich hervorragend und gerade durch das tolle Zusammenspiel und die Dynamiken untereinander entsteht tatsächlich das Gefühl, dass hier vier Freundinnen unterwegs auf einem Roadtrip sind.
Aber die großartigen Leistungen der Schauspielerinnen enden nicht bei den vier Hauptdarstellern. Mir ist beispielsweise die drogenschmuggelnde Zugnachbarin der vier bis weit nach dem Film im Kopf geblieben. Meredith Hagner (Palm Springs, Vacation Party) spielt ihre Rolle hier so Over-The-Top und trotzdem irgendwie liebenswürdig, dass mir hier eine Nominierung als beste Nebendarstellerin bei den Oscars lieb wäre.
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Hervorragendes Pacing, schneller Schnitt und sogar Musical-Einlagen
Was dem Film letzendlich auch sehr hilft ist seine kurze Laufzeit: Er weiß zu jeder Zeit, was er sein möchte und was nicht. Dadurch artet er nicht in ewigen Dialogen und langweiligen Nebenhandlungen aus, sondern behält sein Tempo über die Laufzeit von 90 Minuten immer bei.
Joy Ride ist erfrischend kurzweilig und lebt von dieser Kurzweiligkeit. Zu verdanken hat er das vor allem dem Drehbuch und dem Schnitt, der sein übriges leistet. Die Devise lautet immer: Lass die Charaktere genau das sagen, was nötig ist und dann geht’s weiter auf dem wilden Trip.
Dass er dann doch an manchen Stellen z.B. durch Musical-Einlagen unterbrochen wird, ist überhaupt nicht schlimm, weil diese seine durchschaubare Dramaturgie etwas vergessen lassen und uns in wunderschönen und stilvollen Kunstwerken aus einem Mix von echter Welt und gezeichneten Szenen eintauchen lassen.
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Zwischen Identitätsfindung und Nationalismus
Bei einer Sache kann sich der Film aber dann nicht so ganz entscheiden: Einerseits ist er eine unglaublich temporeiche Komödie mit oft absurden Szenarien, andererseits will er auch eine Reise rund um die Identität von Audrey, der Hauptfigur, sein. Die ist nämlich in den USA aufgewachsen, wurde aber in China geboren.
In ihrem Job als Anwältin wird sie dabei immer wieder unterschwelligem Rassismus ausgesetzt, da viele Personen in ihrem Umfeld es zwar gut meinen, ihr aber immer wieder zu verstehen geben, dass sie trotz ihrer Staatsangehörigkeit wegen ihres Aussehens wohl nie ganz dazugehören wird.
Als der als Geschäftsreise geplante Ausflug nach China dann in einer Art Selbstfindungsreise für Audrey endet, weiß der Film damit nicht so richtig umzugehen. Denn der Kontrast zwischen aberwitzigen Szenarien, denen sich die Figuren im Film ausgesetzt sehen und dem durchaus ernsten Thema der Selbstfindung prallen hier aufeinander.
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Joy Ride bekommt es oft hin, diesen Kontrast gut in Szene zu setzen. Allerdings scheitert der Film an einigen Stellen auch daran. Aus Spoilergründen kann ich hier nicht auf die genauen Details eingehen. Aber gerade das Thema, wo man denn letzendlich geboren wurde, spielt mir im Film eine zu übergeordnete Rolle.
Klar, nach außen hin wird es immer einen Einfluss haben, ob das eigene Umfeld und man selbst sich jetzt als Amerikaner, Chinese oder Japaner identifiziert. Aber sollte genau dieses Gefühl, einer Nation anzugehören, nicht mehr hinterfragt werden? Sollte es für die eigene Identität nicht egaler sein, in welchem Land man denn jetzt geboren wurde und sich dementsprechend identifizieren sollte?
Viel wichtiger ist doch, mit welchen Menschen man sich umgibt. Wo man gerne ist, wo man sich heimisch fühlt. Nicht, woher man tatsächlich kommt. Schon Crazy Rich Asians hatte dieses Problem meiner Meinung nach: Es wird ein (mehr als verständlicher) Kulturschock inszeniert, der aber im Laufe des Films nicht dekonstruiert, sondern vielmehr noch als Nationalismus im engeren Sinne verstärkt wird.
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Fazit & Bewertung
Joy Ride hat mir persönlich im Kino sehr viel Spaß gemacht. Und das ist doch eigentlich die Hauptsache, wenn man sich eine Komödie anschaut, oder? Die Schauspieler leisten alle einen hervorragenden Job und gerade die Dynamik zwischen den vier Hauptdarstellern hat mir gut gefallen. Zum kurzweiligen “Vergnügungstrip” (ja, ich weiß, schlimme deutsche Übersetzung) trägt aber auch das Pacing des Drehbuchs und der schwungvolle Schnitt bei.
Unterzieht man den Film allerdings einer etwas tieferen Betrachtung, tun sich einige Probleme auf: Zum einen gibt es manche Stellen, an denen sich Joy Ride nicht ganz entscheiden kann, ob es jetzt eine Over-The-Top-Komödie oder ein Drama über Identitätsfindung sein will.
Zum anderen wird das Thema der Identitätsfindung dann auch wieder so thematisiert, dass es problematisch ist. Weil der Nation als Identitätsstifter viel zu viel Platz eingeräumt wird. Hier hätte sich der Film selbst mehr hinterfragen müssen. Insgesamt betrachtet kommt mit Joy Ride aber ein wirklich unterhaltsamer Film in die deutschen Kinos, der ein Ticket auf jeden Fall wert ist!
Übrigens genauso wie Oppenheimer, zu dem erst vor Kurzem ebenfalls eine Kritik auf diesem Blog erschienen ist. Nachdem Dune Part 2 ja jetzt endgültig auf 2024 verschoben wurde, könnte der neue Film von Christopher Nolan sich zu meinem Lieblingsfilm des Jahres entwickeln. Aber jetzt zu euch: Werdet ihr Joy Ride im Kino genießen oder habt ihr es vielleicht schon? Was ist eure Meinung zum neuen Film von Adele Lim?
Joy Ride ist eine unterhaltsame Komödie, die sich auch mal etwas traut und aus der Prüderie des restlichen Hollywoods ausbricht. Gerade die Dynamiken der Schauspieler sind fantastisch. Trotzdem kommt der Film von Adele Lim nicht ohne Probleme aus: Das Drehbuch kann sich an manchen Stellen nicht entscheiden, ob es mehr Over-The-Top-Komödie oder Identitäts-Drama sein will. Und die hintergründige Ideologie des Sinnstifters Nationalstaat wird zu wenig hinterfragt.
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Bewertung:
3,5
Joy Ride startet am 24. August 2023 in den deutschen Kinos.
© Copyright aller Bilder bei Lionsgate.
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